Anwendungen der Retinalen Gefäßanalyse
Die Verfahren der Gefäßanalyse sind eine außergewöhnliche Gelegenheit zur nichtinvasiven und kontaktfreien Untersuchung des Zustands sowie der Funktion der kleinsten Blutgefäße des gesamten Körpers. Das Auge als unvergleichbarer Zugang zu dieser Mikrozirkulation liefert essentielle Informationen zu subklinischen Veränderungen und gibt Aufschluss über die ganzheitliche Gefäßgesundheit von Patienten. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen wichtige Rückschlüsse auf Systemerkrankungen sowie die Entwicklung von Endorganschäden und bieten diverse Einsatzmöglichkeiten in der Prävention, dem Screening, dem Therapiemonitoring und der Patientenmotivation.
Die Methoden der retinalen Gefäßanalyse liefern wichtige Biomarker über den Zustand und die Funktion von Netzhautgefäßen sowie deren Regelung im Bereich der Mikrozirkulation. Sie sind ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur personalisierten Medizin. Hier ist eine objektive Personalisierung essentiell, da z.B. trotz gleichem BMI oder Cholesterinwerten die Gefäßfunktion bei verschiedenen Personen völlig unterschiedlich verändert sein kann.
Neben der wichtigen und effizienten Bewertung des kardiovaskulären Risikos Ihrer Patienten, eignen sich die Methoden der retinalen Gefäßanalyse vor allem für:
- Die Steuerung von Therapie- und Präventionsmaßnahmen
- Die Kontrolle von Therapieerfolgen
- Die Abschätzung und Vorhersage der Progression
- Die Motivation von Patienten für Lifestyle-Anpassungen mit entsprechenden Verlaufskontrollen
- Den Zugang zur Endothelfunktion
- Die Entwicklung von Medikamenten
Die dynamische Gefäßanalyse mit dem Imedos Dynamic Analyzer (IDA) kann zusätzlich für die Untersuchung und Analyse der retinalen endothelabhängigen mikrovaskulären Dysfunktion (MVD) eingesetzt werden. Kardiovaskuläre Risikofaktoren, wie z.B. Diabetes, Dyslipidämie und arterielle Hypertonie, führen zu einer Einschränkung dieser Gefäßfunktion.
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Das Ziel der kardiometabolischen Prävention ist es, die Entwicklung und Manifestation von Gefäßveränderungen bzw. -erkrankungen frühzeitig zu verhindern oder wenigstens zu verzögern. Dem entspricht das Konzept von EVA (Early Vascular Aging) und ADAM (Aggressive Decrease of Atherosclerosis Modifiers).
Die Parameter der Retinalen Gefäßanalyse bieten neue Möglichkeiten dieses Konzept um die Mikrozirkulation zu erweitern und die mikrovaskulären Parameter in den Kontext etablierter makrovaskulärer Goldstandards wie Flow Mediated Dilation, Intima Media Dicke, Pulswellengeschwindigkeit u.a. zu stellen.
Die mikrovaskulären Risikoparameter stellen einen zusätzlichen Nutzen bei der kardiovaskulären Risikostratifizierung besonders für Frauen dar. Wünschenswert ist die Erfassung der retinalen mikrovaskulären Gefäßparameter bereits im frühen Kindesalter, da die Gefäßalterung sehr frühzeitig beginnt. Studien belegen, dass bereits bei Kindern mit der Retinalen Gefäßanalyse erste Veränderungen der mikrovaskulären Parameter nachweisbar sind.
Die individuellen Einflüsse von Lebensstil verändernder Maßnahmen zeigen sich ebenfalls in den Parametern der Gefäßanalyse. Von besonderer Bedeutung sind die Parameter der statischen Gefäßanalyse, da diese im Sreening nonmydriatisch, schnell und einfach bestimmt werden können. Diese Parameter liefern Indikatoren für das kardiovaskuläre Risiko. Studien haben belegt, das Lifestyle-Änderungen und präventive Maßnahmen eine deutliche individuelle Verringerung des Gefäßrisikos nachweisen lassen. Der Effekt einer Maßnahme lässt sich gut beobachten und ist für den Patienten hoch motivierend.
Bluthochdruck führt vor allem zur arteriellen Gefäßverengung und zur arteriellen Dysregulation in den Netzhautgefäßen. Die Parameter der retinalen Gefäßanalyse stehen dem Hypertensiologen zur Therapiesteuerung und Bewertung des Therapieerfolges als zusätzliche objektive Parameter bzw. Risikofaktoren zur Verfügung.
Studien haben gezeigt, dass diese mikrovaskulären Parameter einen zusätzlichen Wert bei der individuellen Risikostratifizierung, vor allem bei Frauen, ermöglichen.
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Weiterführende Literatur:
European Society of Cardiology/European Society of Hypertension versus the American College of Cardiology/American Heart Association guidelines on the cut-off values for early hypertension: a microvascular perspective.
Sci Rep. 2021 Feb 10;11(1):3473. doi: 10.1038/s41598-021-83096-1. PMID: 33568754; PMCID: PMC7876123.
Aus entwicklungsphysiologischer Sicht gesehen kann man zumindest die Netzhaut mit dem Sehnervenkopf als einen ausgelagerten Teil des Gehirns betrachten. Nicht nur aus Sicht der Sehnerven, sondern auch mit Blick auf die Mikrozirkulation gibt es viele Ähnlichkeiten und enge Zusammenhänge zum Gehirn. Studien, die den Zusammenhang zwischen Gefäßzustand und autoregulativen Funktionen der Netzhaut mit Depressionen, Alzheimer-Erkrankung, vaskulärer Demenz und Schlaganfall herstellen, verwundern daher kaum.
Die Parameter der Statischen und Dynamischen Gefäßanalyse lassen auf Risiken zerebrovaskulärer Ereignisse wie beispielsweise Schlaganfälle und den Schweregrad der sogenannten »Small vessel diseases« rückschließen. Änderungen der Parameter der retinalen Gefäßanalyse sind assoziiert mit der Häufigkeit von Läsionen der weißen Substanz im MRT sowie mit dem Schweregrad demenzieller Erkrankungen. Es gibt Hinweise, dass man mittels der Parameter der retinalen Gefäßanalyse auch eine Subtypisierung zwischen mikro- und makrovaskulären Schlaganfällen treffen kann.
Mittels dynamischer Gefäßanalyse kann man nicht nur die NO-abhängige Endothelfunktion, sondern auch die neurovaskuläre Kopplung, die myogene Autoregulation sowie deren Änderungen bei verschiedenen systemischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus und arterieller Hypertonie untersuchen und wichtige Informationen über die Physiologie und Pathophysiologie des Gehirns erhalten.
Die retinale Gefäßanalyse untersucht statische und dynamische Gefäßparameter, die den stationären Gefäßzustand und die Gefäßfunktion bzw. Regelfähigkeit der Mikrozirkulation quantifizieren und gut validierte kardiovaskuläre Risikoindikatoren sind. Systemisch bedingte Veränderungen an den kleinen Arterien und Venen der Mikrozirkulation und deren Regelung treten an vielen Organen, wie auch in der Niere in ähnlicher Form auf.
Eine Vielzahl von wissenschaftlichen Publikationen stellen die Assoziationen zwischen Netzhautgefäßveränderungen, arterieller Hypertonie und Nierenveränderungen dar. Ein sehr guter Beleg für die Aussagefähigkeit der retinalen Gefäßanalyse sind Studienergebnisse, die belegen, dass die venöse Dysregulation der Netzhautgefäße ein Prädiktor für die Sterblichkeit von Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz im Endzustand ist.
Die Niere spielt eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung des systemischen arteriellen Bluthochdruckes. Umgekehrt führt der arterielle Bluthochdruck zu Veränderungen in der Mikrozirkulation, die sich am Auge letztlich als Endorganschaden mit der retinalen Gefäßanalyse untersuchen lassen.
Organe können nur bei adäquater Blutversorgung gut funktionieren. Dies gilt insbesondere für das Auge. Die Durchblutung des Auges muss jederzeit den momentanen Bedürfnissen angepasst werden, u.a. um die Schwankungen des Perfusionsdruckes auszugleichen, um sich den wechselnden neuronalen Aktivitäten anzupassen oder auch um die Temperatur am Fundus trotz Schwankungen der Außentemperatur konstant zu halten. Deswegen sind der Blutfluss in Ruhe sowie die Fähigkeit der Gefäße den Blutfluss zu regulieren von zentraler Bedeutung.
Oft ist eine gestörte Durchblutung die Ursache vieler Augenkrankheiten bzw. ein wichtiger Co-Faktor für das Auftreten oder das Fortschreiten der Augenkrankheit. Die Imedos-Technologie ermöglicht es, diese vaskulären Komponenten zu diagnostizieren und anschließend den Einfluss einer Therapie zu überprüfen.
Interdisziplinärer Ansatz: Bei vielen Systemerkrankungen wie z. B. Diabetes, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen oder Rheuma kann der Augenarzt durch Untersuchungen der Blutgefäße am Auge, den Kollegen von anderen Fachgebieten schon in der Frühphase entscheidende Informationen über den allgemeinen Gesundheitszustand der Gefäße (die Gefäßgesundheit) sowie über das Ansprechen einer Therapie oder einer Prophylaxe liefern.
Folgen von Durchblutungsstörungen für das Auge:
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Die relativ seltenen akuten Verminderungen der Blutversorgung führen zur Infarzierung, z.B. der Netzhaut oder der Papille
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Die viel häufigeren chronischen Minderperfusionen begünstigen schlechte Krankheitsverläufe und im Extremfall die Bildung von Neovaskularisationen
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Die wegen einer gestörten Regulation schwankende Sauerstoffversorgung erhöht den lokalen oxidativen Stress, ein zentraler Faktor in der Pathogenese vieler Krankheiten
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Hypoxie und oxidativer Stress schädigen die Bluthirnschranke und begünstigen damit die Bildung von Ödemen und Blutungen
Der Fokus der Imedos-Technologie liegt auf den Netzhautgefäßen, da:
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Eine funktionierende Netzhaut essentiell ist,
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Die Gefäße der Netzhaut optisch zugänglich sind,
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Die Aktivität der Netzhaut durch Flickerlicht kontrolliert gesteigert und so die Fähigkeit und Kapazität der Regulation der Blutgefäße gemessen werden kann,
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Die retinalen Blutgefäße nicht autonom innerviert sind und die Funktion der vaskulären Endothelzellen so spezifisch gemessen werden kann.
Warum sind die vaskulären Endothelzellen von besonderem Interesse?
Die Endothelzellen sind entscheidend an der Regulation der Netzhautdurchblutung beteiligt. Ein Mensch besitzt mehrere Billionen dieser Endothelzellen. Interessanterweise kann man vom Gesundheitszustand dieser Zellen in der Netzhaut sehr gut auf den Gesundheitszustand dieser Zellen im ganzen Körper schließen. Sowohl bei kardio- und zerebrovaskulären Erkrankungen als auch bei primären vaskulären Dysregulationen sind immer zuerst die vaskulären Endothelzellen betroffen.
Anwendungsbereiche (Krankheitsbilder in der Ophthalmologie)
Retinale arterielle Verschlüsse
Die Untersuchung mit dem VesselMap am Partnerauge gibt Auskunft über den allgemeinen Gesundheitszustand der Blutgefäße und damit über das Risiko für weitere Gefäßverschlüsse, sei es am Auge oder in anderen Organen.
Glaukom
Schreitet bei einem Glaukom-Patienten ein Schaden trotz normalem oder normalisiertem Augendruck voran, dann zeigt die SGA und Untersuchung mit dem Imedos Dynamic Analyzer (IDA), ob und in welcher Form eine vaskuläre Krankheit vorliegt. Ist beides gestört, so handelt es sich meist um ein Problem im Formenkreis der Arteriosklerose und deren Risikofaktoren. Sind die statischen Gefäßparameter hingegen unauffällig und die Untersuchung mit dem IDA zeigt eine gestörte Endothelfunktion, so liegt eine therapierbare primäre vaskuläre Dysregulation vor.
Ist der RVP erhöht, so wird dadurch auch die Durchblutung des Sehnervenkopfes vermindert. In diesem Fall muss nicht nur der Augendruck, sondern auch der RVP gesenkt werden.
Diabetische Retinopathie
Die Statische Gefäßanalyse mit unserer VesselMap Software zeigt frühzeitig das Risiko für die Entwicklung einer diabetischen Retinopathie. Bei einer bereits sichtbaren, nicht-proliferativen Retinopathie zeigt sie das Risiko für vaskuläre Komplikationen, inklusive der Entwicklung einer proliferativen Retinopathie.
Die Untersuchung mit dem Imedos Dynamic Analyzer zeigt ob und wie gut die Netzhautdurchblutung noch reguliert werden kann. Ein erhöhter Retinaler Venendruck (RVP) verstärkt die Hypoxie und damit die Bildung von Cotton-Wool-Flecken und Neovaskularisationen. Ein hoher RVP erhöht ebenfalls den transmuralen Druck und trägt so zur Bildung von Ödemen, harten Exsudaten und Blutungen bei.
Chorioretinopathia centralis serosa
Bei der CRCS können mit einer ICG-Angiographie lokale Fehlregulationen der Choroidalgefäße erkannt werden. Die häufig zugrundeliegende Dysregulation wird jedoch auch durch verminderte Antworten im DVA und einem Anstieg des RVP angezeigt.
Retinopathia pigmentosa (RP)
Hier ist die Durchblutung des Auges teils sekundär, teils primär reduziert. Zeigt die Untersuchung mit dem DVA eine endotheliale Dysfunktion, liefert dies den Hinweis, dass eine Komponente davon primär ist. Meist ist dabei auch der RVP erhöht. Beides kann therapeutisch verbessert werden.
Perioperativer Sehverlust
Ein akuter Sehverlust im Zusammenhang von Operationen, z.B. nach Eingriffen an der Wirbelsäule sind selten aber schwerwiegend. Eine gestörte Regulationsfähigkeit, sichtbar im DVA, erklärt eine fehlende oder ungenügende Anpassung, z.B. an eine spezielle Lagerung. Ist der RVP erhöht, so ist das eine weitere Erklärung des Ereignisses und ermöglich eine Prophylaxe.
Höhenkrankheit
Nimmt der Sauerstoff-Partialdruck ab, so entwickelt ein Teil der Menschen eine Höhenkrankheit. Die Betroffenen haben meist schon vorbestehend verminderte Antworten im DVA und steigern dann in der Höhe ihren RVP stärker als andere.
Flammer Syndrom (FS)
Das FS ist eine allgemeine Prädisposition, mit den Blutgefäßen auf Stimuli anders zu reagieren. Die Folgen zeigen sich am Auge besonders häufig. Oft ist der RVP erhöht, die Antwort im DVA vermindert, die Gefäßdurchmesser im SVA aber normal. Liegt diese Konstellation vor, so ist das Risiko größer, eine FS-assoziierte Krankheit zu entwickeln.